Selbstständigerwerbende beim Corona-Erwerbsersatz benachteiligt.

Medienmitteilung der Taskforce Culture vom 9. Dezember 2021

Viele Selbstständigerwerbende sind mit einer restriktiven Praxis im Corona-Erwerbsersatz konfrontiert.

Mit den aktuellen epidemiologischen Entwicklungen und den neuen Massnahmen und Empfehlungen des Bundesrates häufen sich im Kulturbetrieb wieder die Absagen und Verschiebungen von Veranstaltungen: Weihnachtsfeiern, Firmenfeste, Amateurveranstaltungen mit professioneller Unterstützung oder internationale Tourneen. Just in dieser Ausgangslage erhalten die Kulturverbände Anfragen von verzweifelten Mitgliedern, deren Gesuche um Corona-Erwerbsersatz abgelehnt werden. Die Begründung der kantonalen Ausgleichskassen: Es seien aktuell im Kulturbereich keine vom Bund und den Kantonen verfügten Massnahmen in Kraft, die zu einer Entschädigung berechtigen würden.

Diese Praxis entbehrt aus der Sicht der Taskforce Culture jeglicher Grundlage.

Erstens ist das Argument schlicht falsch, es gebe keine aktuellen Massnahmen, die den Kulturbetrieb beeinträchtigen würden: Maskenpflicht, Zertifikatspflicht sowie die dringende Empfehlung des Bundesrates, Kontakte zu minimieren, haben sehr direkte Auswirkungen auf den Ticketverkauf sowie die wirtschaftliche Umsetzbarkeit von Veranstaltungen – im kulturellen wie auch im privaten Bereich (Firmenfeste usw.).

Zweitens ist der Zeitpunkt für eine solche Verschärfung in keiner Art und Weise nachvollziehbar: Angesichts steigender Fallzahlen und um die Überlastung der Spitäler zu vermeiden, beschloss der Bundesrat neue Massnahmen, welche bereits wieder zu einer Vielzahl von Absagen von Veranstaltungen geführt haben. Kulturschaffende und Veranstalter haben ihre finanziellen Reserven weitgehend aufgebraucht – und die weiteren Prognosen für die kommenden Wochen und Monate stimmen pessimistisch. Es kann nicht sein, dass der Erwerbsersatz genau in dem Moment, in dem er dringend gebraucht wird, faktisch abgeschafft wird.

Drittens ist eine solche Handhabung weder aus dem Covid-19-Gesetz, noch aus der Verordnung oder aus den aktuellen Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) ableitbar. Dass sich die Umsätze in den betroffenen Branchen (dazu gehört nicht nur die Kultur, sondern etwa auch die Eventbranche oder die Gastronomie) noch nicht erholt haben, ist eine direkte Folge der in den letzten Monaten verordneten Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie.Bei der aktuellen Praxis zum Corona-Erwerbsersatz handelt es sich faktisch um eine Sparmassnahme. Dies obwohl das Parlament mehrmals bestätigt hat, die durch die sanitarischen Massnahmen verursachten Einkommenseinbussen ab 30% mit dem Corona-Erwerbsersatz ausgleichen zu wollen.

Die Taskforce Culture hat das Bundesamt für Sozialversicherungen in einem Brief (Mailing siehe unten) vom 8.12.2021 aufgefordert, die Praxis bei den Ausgleichskassen zu überprüfen – besonders mit Blick auf die aktuellen besorgniserregenden Entwicklungen im Veranstaltungsbereich.


Mailing Taskforce Culture an das Bundesamt für Sozialversicherungen BSV vom 8.12.2021:

Sehr geehrte Damen und Herren

Momentan erhalten wir in den Kulturverbänden täglich mehrere Anfragen von Mitgliedern, deren Corona-Erwerbsersatzgesuche abgelehnt wurden, mit der Begründung, die Massnahmen im Kulturbereich seien aufgehoben und eine veränderte Wirtschaftslage oder Angst vor Covid-19 würden als Gründe nicht akzeptiert. (siehe unten *)

Wir verstehen diese Position im Grundsatz, allerdings ist Ihre Einschätzung der Lage aus unserer Sicht nicht korrekt.

1. Nach wie vor finden zu einem grossen Teil Veranstaltungen statt, die aus der Zeit der Schliessungen verschoben wurden. Das heisst, dass Künstler*innen, die nicht selbst verschobene Veranstaltungen und Aufträge nachholen können, nur wenige Möglichkeiten haben, neue Aufträge zu erhalten. Neue Buchungen kommen nun zwar wieder vor, Programmplätze finden sie aber oftmals erst im Frühjahr 2022 – und bei der aktuellen Lage kann sich das nochmal weiter verzögern.

2. Viele Kulturschaffende und selbständig Erwerbende im Kultursektor haben ihre Auftritte und Aufträge bei privaten Veranstaltungen oder Firmenanlässen. Diese werden (und wurden im ganzen Herbst) weiterhin abgesagt, sei es aufgrund von Reisebeschränkungen, Sorge vor anschliessenden Quarantänefolgen, die den Betrieb verunmöglichen würden, oder aus der blossen Vorsicht, nur die nötigsten Zusammenkünfte zu machen.

Die Situation ist spätestens mit den steigenden Fallzahlen seit Mitte November und den neuen Massnahmen von letzter Woche wieder dramatisch geworden. Bei den Technikfirmen und selbständig Erwerbenden im Eventbereich etwa sind die Auftragsbücher für die kommenden Wochen wieder fast leer. Spätestens in den Gesuchzahlen für November / Dezember wird sich das auch spiegeln. Eine Anpassung Ihrer Umsetzungspraxis wird damit aus unserer Sicht unausweichlich.

3. Aufträge und Auftritte von professionellen Kulturschaffenden mit Laiengruppen finden schon seit dem Sommer oftmals nicht statt, weil die Auflagen für Laiengruppen zur Absage von Projekten geführt haben.

4. Viele Kulturveranstaltungen werden abgesagt oder finden mit massiv weniger Publikum statt als normalerweise. Beides bedeutet für die Auftretenden Einkommensverluste. Entgegen ihren Einschätzungen hängt das sehr wohl immer noch direkt mit den Massnahmen gegen die Pandemie zusammen:

1. Die Massnahme Zertifikatspflicht (speziell zusammen mit der Abschaffung der Gratistests ab Oktober) stellt für einen Teil des potentiellen Publikums eine oftmals zu hohe Hürde dar. Die Aussage ist nicht zutreffend, dass im Kulturbereich keine von Bund oder Kantonen verfügte Massnahmen in Kraft seien. Die Zertifikatspflicht für alle Veranstaltungen ist eindeutig eine solche einschränkende Massnahme.

2. Die Vorverkaufszahlen sind generell nach wie vor sehr viel tiefer als vor der Pandemie. Auch deshalb werden Veranstaltungen vorsorglich abgesagt. Die Angst des Publikums vor Covid spielt also durchaus eine Rolle, und die hängt auch mit den Empfehlungen des Bundes zusammen.

So unglücklich das ist, und obwohl wir die verhängten Massnahmen und Beschränkungen nach wie vor mittragen, kann man also nicht einfach davon ausgehen, dass Kulturschaffende und selbständig Erwerbende wieder Normalbetrieb haben. Man kann auch nicht davon ausgehen, dass es sich um mangelnden Einsatz bei der Suche nach Engagements handelt, wenn es noch an Arbeit fehlt – selbst erfolgreiches Booking im September führt im Kulturbetrieb in der Regel erst zu Arbeit 3 bis 6 Monate später. Die Folgen der früheren Schliessungen und die Auswirkungen der aktuellen Massnahmen haben also nach wie vor grossen Einfluss auf den Kulturbetrieb.

Wir stehen gerne für eine Diskussion dieser Argumente zur Verfügung. Wir würden sehr begrüssen, wenn Sie Ihren ausführenden Ämtern diese Erläuterungen zukommen lassen könnten.
Sowohl bei uns in den Verbänden wie auch bei Ihnen in der Umsetzung werden uns sonst in der nächsten Zeit viele aus unserer Sicht unnötige Rekurse, Beratungen und allenfalls auch Rechtsfälle belasten.

Gespannt auf Ihre Rückmeldung und mit freundlichen Grüssen, für die Taskforce Culture


Auszug aus der Verfügung einer SVA im Wortlaut:

Guten Tag

Am 1. November 2021 haben Sie Corona-Entschädigung beantragt. Wir haben den Antrag geprüft und müssen ihn leider abweisen.

Wir begründen wie folgt:
Ausgleichskassen müssen die Gründe beurteilen und prüfen, ob die Kausalität mit den geltenden Massnahmen angesichts der epidemiologischen Lage gegeben ist (Art. 15 Covid- 19-Gesetz). Der Erwerbsausfall muss nachweislich mit den Einschränkungen aufgrund der vom Bund oder vom Kanton angeordneten Massnahmen zusammenhängen.

Ist die Umsatzeinbusse aus rein wirtschaftlichen Folgen entstanden und nicht auf eine aktuelle Massnahme von Bund oder Kanton zurückzuführen, besteht kein Anspruch mehr auf die Corona- Entschädigung. Eine angespannte Wirtschaftslage (generell oder branchenbezogen) kann nicht auf Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zurückgeführt werden.
In Ihrem Wirtschaftszweig sind momentan weder vom Bund noch vom Kanton Zürich Massnahmen in Kraft.

Der Erwerbsausfall bzw. die derzeit schlechte Auftragslage im Wirtschaftszweig des Kulturbereichs (Musik) ist vielmehr auf die aktuellen wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus- Pandemie zurückzuführen. Das heisst: Angst vor Covid-19, vermehrtes Arbeiten im Home-Office oder Planungsunsicherheit berechtigen nicht zu Corona-Entschädigung für Erwerbsausfall. Dies sind keine angeordneten Massnahmen wie zum Beispiel die Begrenzung der Anzahl Personen pro Tisch in einem Restaurant.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Corona-Entschädigung sind in Ihrem Fall deshalb nicht erfüllt.

2 Gedanken zu „Selbstständigerwerbende beim Corona-Erwerbsersatz benachteiligt.“

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